Entwicklungszusammenarbeit grotesk: Kleinbauern gegen Großunternehmer.

Nikaragua. In der Gemeinde El Castillo, am Rande von Nicaraguas gigantischem Urwaldreservat Indio Maíz, spielt sich der typische Agrarkonflikt eines Entwicklungslandes ab. Er bliebe wohl unbeachtet, wäre da nicht der Irrsinn der deutschen Entwicklungshilfe. Denn sie unterstützt zugleich beide Seiten. Genau zwischen den Fronten deutscher Wohltätigkeit liegt die Finca des 45-jährigen Kleinbauern Felicito Palacio. Außer Mais und Früchten für die Selbstversorgung baut er Kakao für RITTER SPORT an. “Das schafft uns gutes Zusatzeinkommen”, lobt Palacio.

Doch jenseits der Finca erstrecken sich auf 4000 Hektar Ölpalmen der PALCASA. Dem Vernehmen nach wird die Aktiengesellschaft von Ramiro Ortiz, zweitreichster Mann Nicaraguas, kontrolliert. Und damit beginnen die Probleme. Kleinbauer Palacio klagt über verseuchtes Wasser und über Pestizide. “Die Agrochemikalien der Monokulturen vergiften unseren Biokakao”.

Ölpalmenplantagen vergiften Biokakao

Hinter dem Kakao-Anbau steht neben dem schwäbischen Schokoladekonzern die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Sie fördert über die lokale Genossenschaft COSEMUCRIM mehr als 100 Kleinbauern wie Palacio. Sie sollen dank hochwertigem Kakao über die traditionelle Selbstversorgung hinaus eine “wirtschaftliche Perspektive” erhalten, erläutert Christoph Klinnert, GIZ-Leiter in Nicaragua. Dadurch werde nicht nur die Armut reduziert, sondern auch der angrenzende Urwald geschützt. “Man muss den Menschen die Perspektive geben, von ihrer Produktion leben zu können, ohne weiter Land zu roden”.

Auch hinter den konkurrierenden Ölpalmen steht eine deutsche Institution, nämlich die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Die Tochter der staatlichen KfW-Bankengruppe ist der privatwirtschaftliche Arm der deutschen Entwicklungshilfe. Sie hat die Ausweitung der Palmölplantagen in El Castillo mit einem Darlehen von sieben Millionen US-Dollar an PALCASA finanziert. DEG-Sprecherin Christiane Rudolph sieht darin eine “intelligente Landnutzung”, die zu “nachhaltigem Wachstum und besseren Lebensbedingungen” beitragen könne.

Die lokale Umweltstiftung FUNDACION DEL RIO widerspricht vehement. “Die Ölpalme ist ein Modell ohne Zukunft”, sagt Saúl Obregón, Vorstandsmitglied der Stiftung. “Sie schafft Arbeit, aber zu einem miserablen Bezahlung. Der Mindestlohn von 93 Cordoba täglich (3 Euro) reicht gerade einmal für zwei Mahlzeiten”, kritisiert der Umweltschützer.

Die sozialen Folgen bekommen die Kakaobauern zu spüren, nämlich zunehmende Diebstähle durch unterbezahlte Plantagenarbeiter. Symptomatisch ist die Aussage des Kleinbauern Ruben Torres. Er ist mit seinen 56 Jahren viel zu alt, um noch in den Plantagen angestellt zu werden. Darum ist er jetzt froh, sein Land nicht verkauft zu haben, wie so viele seiner Nachbarn. Torres’ Fazit: “PALCASA hat unseren Nachbarn das Land billig abgekauft und sie billig eingestellt. Doch wer für die schwere Plantagenarbeit nicht mehr taugt, wird gefeuert. Jetzt haben sie aber kein Land mehr, um Bananen und Mais anzubauen. Also gehen sie stehlen, bei mir und bei anderen. Die Ölpalmen verursachen nur eine riesige soziale Last.”

Hinzu kommen die anhaltenden Landkäufe der PALCASA, die bereits jetzt über die Plantagen hinaus über insgesamt mehr als 6000 Hektar Land verfügt. Das verleitet nicht nur ansässige Kleinbauern dazu, ihre Existenz aufzugeben. Gefährdet wird laut der FUNDACION DEL RIO auch das angrenzende Urwaldreservat Indio Maiz, mit 4500 Quadratkilometern eines der wichtigsten und grössten Mittelamerikas. Obregóns Beobachtung: “Viele Bauern suchen billigeres Land. Damit nähern sie sich immer mehr dem Urwaldreservat. Das gefährdet die Schutzzone”.

SCHADEN GRÖSSER ALS NUTZEN

Auf Druck der Kritiker gab die DEG im Jahr 2010 beim deutschen Beratungsunternehmen UNIQUE FORESTS CONSULTANTS GmbH eine Studie zu PALCASA in Auftrag. Sie listet Dutzende der Vorwürfe von Umweltschützern, Plantagenarbeitern und Kakaobauern auf, wie z.B. verschmutztes Wasser, illegale Abholzungen und Unterdrückung der Gewerkschaften. Es gebe “Verbesserungspotential bei den Umwelt- und Sozialstandards”, räumt DEG-Sprecherin Rudolph auf Anfrage ein, und versichert: “PALCASA hat bereits erste Verbesserungen eingeleitet”. Rudolph verweist auf Workshops, die PALCASA vor rund einem Jahr zusammen mit ihren Kritikern veranstaltete.

Doch bei leeren Versprechungen ist es geblieben. „Sie machen schöne Workshops und Papiere für die Geldgeber in Deutschland. Aber bei uns ist nichts angekommen“, sagt Julian Hernández (45), der für die Wasserversorgung im Ortsteil Las Colinas arbeitet. Vor sechs Jahren holzte PALCASA dort einen ganzen Berg mit Urwald ab. Seither ist das Trinkwasser knapp. Doch bei PALCASA läuft Hernández gegen die Wand. “Sie nehmen uns nicht ernst”, klagt der Gemeindefunktionär. Sein Fazit: “Die Ölpalmen schaffen schon Einkommen. Doch der Schaden für die Gemeinschaft ist größer als der Nutzen”.

Ähnlich hart fällt die Kritik des Bürgermeisters von El Castillo aus, Francisco Díaz. Als Mitglied der in Nicaragua oppositionellen liberalen Partei sollte wenigstens er sich für das freie Unternehmertum und damit PALCASA aussprechen. Doch sein Fazit zu den Palmölplantagen ist vernichtend. “Die Rechnung geht für uns nicht auf. Sie bringen Arbeit, sorgen sich aber nicht um die sozialen Aspekte.” Díaz will keinesfalls Fundamentalkritik an den Ölpalmen üben. “Wir sagen nicht, sie sollen gehen. Wir wollen vielmehr, dass sie ihre unternehmerische Verantwortung übernehmen.” Laut dem Bürgermeister zahlt PALCASA seine Steuern immer noch nicht vollständig und zudem nur sehr widerwillig. Was schließlich in der klammen Gemeindekasse eintrudelt, reicht nicht einmal, um die Schäden zu beheben, die das Unternehmen mit seinen Maschinen auf den kommunalen Straßen anrichtet.

Deutsche Steuergelder säen Zwietracht

Die lokalen Umweltschützer versuchen sich derzeit mit den Kakaokooperativen auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Trotz grundsätzlicher Zweifel am Modell der Ölpalme akzeptiert die FUNDACION DEL RIO die bereits bestehenden Plantagen in El Castillo. Sie will aber zusammen mit den Kleinbauern deren weitere Ausbreitung stoppen. “Wir glauben nicht an das Modell”, erklärt Obregón. “Doch die Ölpalmen sind bereits hier und viele Leute hängen von ihnen ab. Wir fordern darum nicht, dass das Unternehmen schließen soll. Wir wollen aber, dass es nicht weiter wächst.”

An das deutsche Publikum gerichtet weist Obregón auf den Widerspruch der deutschen Hilfe hin. “Ich glaube, der deutsche Steuerzahler ist sich nicht bewusst, dass er hier in Nicaragua zwei völlig entgegengesetzte Konzepte finanziert. Auf der einen Seite werden Kooperativen unterstützt. Damit können die Kleinbauern diversizieren und neue Einnahmequellen erschließen. Auf der anderen Seite wird ein riesiges Unternehmen unterstützt. Es häuft Land an und transformiert die Bauern in Lohnarbeiter.”

Die Botschaft Obregóns scheint in Deutschland inzwischen angekommen zu sein. Nach einem Bericht des Nachrichtendienstes epd Anfang Januar kündigte Grünen-Politiker Thilo Hoppe an, den Fall im Entwicklungsausschuss des Bundestages zur Sprache zu bringen. Aktiv geworden ist auch die Organisation “Rettet den Regenwald” (www.regenwald.org). Sie kündigte eine Kampagne an mit dem Ziel, die weitere Unterstützung von PALCASA durch die deutsche Entwicklungshilfe zu stoppen.

Deja un comentario

Tu dirección de correo electrónico no será publicada.